Globales

Ísland, sagt man, das sei ein Land ohne eigenes Militär. Das stimmt wohl. Und dennoch sind sie Gründungsmitglied der NATO. Das dürfte sich auch auf die globalen Beziehungen auswirken.

Man kann es direkt sehen, wenn man durch ein kleines Diplomatenviertel im Westen der Hauptstadt Reykjavík spaziert. Dort residiert(e) neben der französischen Botschaft die Dependance Russlands. Vielleicht kann man die Farbkleckse links im Bild oben erkennen. Offenbar haben kurz nach Putins Invasion in die Ukraine einige Isländer den russischen Diplomaten einmal mitteilen wollen, was sie so davon halten.

Übrigens: In Island haben gerade einmal 14 Länder eigene Botschaften, darunter auch Deutschland. Bürger aus Staaten ohne eigene Vertretung können sich via Amtshilfe auch an andere Botschaften wenden.

Kurzer Schlenker: Die Botschaft Russlands befindet sich an der Túngata direkt gegenüber der Landakotskirkja, einer katholischen Kirche, die 1929 eingeweiht wurde. Etwa vier Prozent der Isländer sollen Katholiken sein, eine erfolgreiche Gegenreformation hat es hier nicht gegeben.

Aber zurück zum Militärischen: Isländer sind ja Norweger. Das sollte man ihnen zwar lieber nicht direkt sagen, aber es spricht sehr viel dafür, dass es um 900 nach Christus Wikinger aus Norwegen waren, die das Land besiedelt haben. Ende der 14. Jahrhunderts, die letzter norwegische Königsdynastie war ausgestorben, übernahm sukzessive das dänische Königshaus das Regiment – zum Ende allerdings wohl mit recht langer Leine; die Hoheit über die Rechtssprechung sollen die Isländer selbst innegehabt haben. 1874 haben die Isländer eine eigene Verfassung erhalten. 1943 lief die Union mit Dänemark aus. Am 17. Juni 1944 – das ist der Nationalfeiertag, deswegen sind diesen Freitag auch sämtliche Vínbúðin geschlossen – wurde am Þingvellir die Republik Island ausgerufen.

Und zu diesem Zeitpunkt hatte Island Militär, allerdings ausländisches. Weil im Zweiten Weltkrieg die Briten vermeiden wollten, dass Nazideutschland Island einnimmt, haben sie Land und Inseln besetzt, ein Jahr später stationierten sich US-Truppen hier.

Als sich 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg und mit Beginn des Kalten Krieges die NATO gründete, war Island sofort mit dabei. Für Staaten wie die USA, die bis 2006 Truppen in dem Land stationiert hatten, dürfte das schon geografisch ein Gewinn gewesen sein. Nach Norden – über den Pol – kommt man schnell nach Russland.

Für Island war die NATO der Vorteil, dass sie keine eigenen Streitkräfte unterhalten mussten, würden sie im Falle eines Angriffs doch von der Beistandsklausel in Artikel 5 des NATO-Vertrags profitieren und Schützenhilfe durch die anderen Mitglieder erhalten.

Während der Zeit der US-Anwesenheit gab es die Island Defense Forces (IDF, gleichlautend wie in Israel) unter US-Kommando. Seit dem Abzug der US-Truppen wird die militärische Unterstützung durch Norwegen und Dänemark – das sind sie wieder – gewährleistet. Mit beiden Staaten hat Island auch Verträge für die Überwachung von Luftraum und Hoheitsgewässern.

Tatsächlich gibt es hierzulande eine sogenannte Krisenreaktionseinheit, die Íslenska friðargæslan. Die besteht aber aus Zivilisten und einigen Polizeiangehörigen; ausgebildet werden sie wohl in Norwegen. An der einen oder anderen Friedensmission hat sich diese Einheit auch schon beteiligt, etwa im Rahmen der ISAF in Afghanistan.