Warum schmeckt Süßes im Norden nicht so süß wie im Süden und Scharfes nicht so scharf? D meint, eine geogustatorische Tektonik entdeckt zu haben.

Cappuccino-Karamell-Eiscreme in Akureyri
Zuletzt war es uns bei der Cappuccino-Karamell-Eiscreme aufgefallen, die F in Akureyri beim Abendessen hatte. Die schmeckte zwar nach Eiscreme, ein bisschen süß und mit etwas Geschmack, aber doch vergleichsweise fade. Ähnliche Beobachtung haben wir bei scharfen und/oder würzigen Speisen gemacht.
In südlichen Ländern unterhalb des 45. Breitengrads schmecken Speisen deutlich intensiver. Nur exemplarisch sei an die türkische, arabische oder israelische Küche erinnert: Da schmeckt ein Baklava wie konzentrierter Honig, eine Spaghetti arrabiata und Gewürztees lassen mitteleuropäische Herzkreisläufe ins Trudeln geraten. Wahlweise freut sich der Gastrointestinaltrakt am folgenden Morgen ein zweites Mal.
Warum also ist der Süden schärfer und süßer als der Norden?
Die Schärfe ist leicht erklärt: Capsaicine (aus Chilis etwa), Piperidin-Alkaloide (aus Peffer) und ätherische Öle, wie etwa aus Senf oder Knoblauch, fördern die Durchblutung.
Für die Interessierten: Capsaicin beispielsweise reizt die Nozizeptoren, die maßgeblich für das Schmerzempfinden sind. Dadurch werden Serotonin und Stickstoffmonoxid freigesetzt, die beide zentral und peripher gefäßerweiternd (vasodilatativ) wirken, wodurch die Durchblutung der „gereizten“ Areale steigt.
Mit der Durchblutung nimmt die Schweißproduktion des Körpers zu und die Haut kann den Körper besser klimatisieren. Das Stichwort heißt Verdunstungskälte.
Schärfe im Essen hat außerdem noch einen weiteren Vorteil: Einige scharfe Gewürze sind quasi als Desinfektionsmittel bekannt, Krankheitserreger mögen ihre Anwesenheit gar nicht. In heißen Regionen, in denen Fleisch in der Hitze schnell schlecht werden würde, dient Schärfe sozusagen der Lebensmittelsicherheit.
Nur wo Hitze eben kein Thema ist, nämlich im hohen Norden, braucht es auch keine Schärfe zum Schwitzen oder gegen das Vergammeln von Fleisch. Denn hier schwitzen die Leute nur wegen ihrer dicken Kleidung, auf der Skipiste oder in der heißen Quelle. Und Fleisch friert bei den hiesigen Temperaturen ohnehin ein.
Aber was ist mit der Süße?
Eine einfache Hypothese: Wo scharf ist, da ist auch süß, quasi als Gegenpol. Wer scharf isst braucht entsprechend deutliche Kontraste. In Erinnerung ist D der Gewürztee vom Djemaa el Fna (جامع الفناء) in Marrakesch geblieben. Zu diesem starken Gebräu, das das Zeug hat, unsereiner Kreislauf aus der Bahn zu werfen, reichen die Garküchen auf dem Platz regelhaft einen klebrig süßen Gewürzkuchen, wahlweise als Paste.
Deshalb: Süß und scharf sind Adjektive vornehmlich des Südens, weniger des Nordens. Das aber ist nur eine Hypothese. Eine süße immerhin.